Das Europäische Parlament besteht nun aus 748 Abgeordneten aus insgesamt 190 Parteien. Wir stellen als Europäische Volkspartei nach wie vor die stärkste Fraktion, gleichwohl mussten wir Federn lassen. Es war auch bedauerlich, dass wir aufgrund der nicht vorhandenen Mehrheiten in Rat und Parlament unseren Spitzenkandidaten Manfred Weber nicht zum Kommissionspräsidenten wählen konnten. Leider haben wir es nicht geschafft, das Europäische Parlament auf diesem Wege zu stärken.
Gleichwohl freue ich mich, dass nun Ursula von der Leyen Kommissionspräsidentin ist, und wir als deutsche Christdemokraten die erste Frau an der Spitze der Kommission stellen. Sie ist eine leidenschaftliche Europäerin und hat die Kraft wie den Mut, die entscheidenden Zukunftsthemen nicht nur anzusprechen, sondern auch mit Verve anzugehen. Ursula von der Leyen wird mit konkreten Projekten die Wettbewerbsfähigkeit Europas in der Wirtschaft und in der Außenpolitik stärken. Und sie hat direkt zu Beginn ihrer Amtszeit gezeigt, dass wir in Europa den Klimaschutz ernst nehmen und weltweit stärken können.
Die Sorge um die Entwicklung des Klimas auf der Erde treibt die Menschen um. Das ist keine Momentaufnahme, das ist eine generationsübergreifende Sorge und ein Zukunftsthema, bei dem sich alle mitgenommen fühlen möchten – und wir jedwedes politisches Handeln direkt und unmittelbar erklären müssen.
Es ist aber auch ein komplexes Thema und daher haben wir mit den Kommunikationswegen über das Internet eine schwierige Aufgabe. Dort verbreitet sich jede „Nachricht“ egal ob richtig oder falsch, wichtig oder banal, ziel- oder irreführend, in Sekunden unkontrollierbar schnell. Dass wir noch nicht so aufgestellt sind, wie wir wollen, das hat uns eben der Europawahlkampf im Frühjahr gezeigt.
Die Zukunft nicht nur unseres Kontinents, sondern der gesamten Erde, was das Klima anbetrifft, war auch ab Tag 1 nach der Europawahl beherrschendes Thema in Brüssel und Straßburg. Die Sitzungswochen haben sich nahtlos an den Wahltag angereiht und in unserer letzten Plenarwoche im September haben wir beispielsweise über den Zustand der Wälder Europas sowie über die Folgen der Waldbrände im Amazonas diskutiert.
Selbstredend treibt jeden von uns seit einigen Monaten der bevorstehende Brexit durch die Ereignisse in London noch intensiver um. Wir können und dürfen die Augen vor der Realität nicht verschließen. Ein No-Deal-Austritt würde die Chancen auf ein künftiges Abkommen zwischen der EU und Großbritannien enorm verschlechtern. Eine mögliche Fristverlängerung hingegen kann es nur geben, wenn sich die Lage nach der sehr konfrontativen Regierungspolitik in London neu orientiert. Dafür kommen natürlich Neuwahlen sowie ein zweites Referendum infrage.
Die drei Schwerpunktthemen eines Austrittsabkommens, – die finanziellen Verpflichtungen Großbritanniens, die Rechte der EU-Bürger sowie britischen Bürger und die Vermeidung einer harten Grenze zu Irland -, sind auch die Vorbedingung für ein späteres Handelsabkommen. Dieses muss nicht nur vom Europäischen Parlament, sondern auch von allen 27 Mitgliedstaaten ratifiziert werden. Für den Fall eines No-Deal-Brexit wird das Europäische Parlament keinem späteren Abkommen Großbritanniens mit der EU zustimmen, solange die britische Schlussrechnung nicht bezahlt ist. Bis zum EU-Gipfel Mitte Oktober muss das weitere Prozedere geklärt sein.
Eine Prognose wage ich nicht mehr abzugeben. Aber ich bin davon überzeugt, dass das gesamte Brexit-Verfahren der letzten Monate uns andere Mitgliedstaaten näher zusammengebracht hat. Bei vielen Themen ist einfach glasklar sichtbar geworden, wie wichtig und unverzichtbar unser gemeinsames Europa ist.